Wege aus der Klimakatastrophe – Wie eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik gelingt

(Fast) jeder Mensch hat sein oder ihr ganz persönliches Aha-Erlebnis, wenn es um den Klimawandel geht. Der eine hat mit Bewässerungsschlauch und Giesskanne vergeblich versucht, seinen Garten unbeschadet durch mehrere Dürre-Sommer zu bringen. Der andere wundert sich, dass er daheim von einer Tigermücke gestochen wird, die ursprünglich nur in den Tropen und Subtropen zu finden war. Ein Dritter musste mitansehen, wie sein Haus überschwemmt wurde, weil zum ersten Mal seit Menschengedenken ein Bächlein nach einem Starkregenereignis zum reissenden Strom geworden war. Und ein Vierter ist Teil der wachsenden Menge von Menschen, die die wissenschaftlichen Studien zum Klimawandel studiert haben und aktiv vor seiner Gefahr warnen.

Wer zum Beispiel zum Morteratsch-Gletscher im Oberengadin wandert, dem grössten Gletscher der Schweizer Ostalpen, dem wird der Klimawandel schmerzhaft konkret. Inmitten der beindruckenden Szenerie der Berge wird dort dem Wanderer ein dramatisches Geschehen erfahrbar: Wo der Wanderweg auf die einst kilometerlange und viele hundert Meter breite Gletscherzunge zuführt, informieren Schilder darüber, bis zu welcher Stelle das Eis sich in den vergangenen Jahrzehnten ausgedehnt hatte. Seit 1870 hat er sich jedes Jahr um durchschnittlich 18 Meter zurückgezogen, 2015 waren es sogar 164 Meter! Über zweieinhalb Kilometer geht man auf einem Untergrund entlang, der noch vor einem erdgeschichtlichen Wimpernschlag von dutzenden Metern Eis bedeckt war.

Fakt ist: Der Klimawandel ist keine am Horizont drohende Gefahr mehr. Er ist in unserem Alltag angekommen und bedroht unsere Lebensgrundlagen. Überschwemmungen, Artensterben, Völkerwanderungen, Dürren, Supertornados – er ist keine am Horizont drohende Gefahr mehr, sondern längst in unserem Alltag angekommen. Die wesentlichen konkreten Zusammenhänge dafür sind seit den 1980er Jahren bekannt: Von Menschen produzierte Treibhausgase – allen voran das Kohlendioxid CO2 – bewirken eine stetige Erwärmung unserer Welt. Damals lagen bereits konkrete Handlungspläne auf dem Tisch, doch eine starke industrielle Lobby verhinderte deren Umsetzung und hintertrieb gezielt die Reputation der Wissenschaftler. In weniger konkreter Form existierte sogar bereits 1895 die konkrete Vermutung eines Zusammenhangs zwischen CO2-Anteil in der Atmosphäre und der globalen Durchschnittstemperatur. Erste direkte Belege für eine steigende CO2-Konzentration und einer dadurch verursachten globalen Erwärmung konnte dann ab den späten 1950er Jahren der US-amerikanische Forscher Charles David Keeling vorlegen.

Heute sieht das Bild der Akzeptanz ganz anders aus. Wer gegen den Klimawandel aktiv wird, wird nicht mehr ausgegrenzt. Die nach anfänglicher Kritik fast durchweg positive Resonanz auf die heutige „Fridays for Future“-Bewegung zeigt das zum Beispiel. Mehr noch: Politik und Wirtschaft überbieten sich in dem Bestreben, die Klimakatastrophe zu verhindern. Im Herbst 2020 kündigten sowohl die EU als auch China einen Fahrplan zu einer CO2-neutralen Wirtschaft bis 2050 bzw. 2060 an. Kurz darauf bekannte sich auch die deutsche Automobil-Industrie zu diesem Ziel. Nach der Abwahl Donald Trumps folgten endlich auch die USA dieser Linie (dies mit der lauten Stimme Joe Bidens).

Und auch in der Forschung ist man sehr viel weiter gekommen: Die CMIP6-Modelle der Klimaforscher, deren erste Ergebnisse im August 2021 im AR6-Report veröffentlicht wurden, sind in ihrem Anspruch an die Modellgenauigkeit noch einmal wesentlich ehrgeiziger als ihre Vorgänger-Modelle. Zum Beispiel wird in einigen von ihnen die räumliche Auflösung der Gitter, auf denen das globale Klima modelliert wird, auf unter 100 Kilometer gebracht. Damit lassen sich die Effekte der Wolkenbildung auf das lokale und globale Klima besser erfassen. Zugleich steigt die zeitliche Dichte der Messungen deutlich an. „Dieser Bericht ist unschätzbar für die künftigen Klimaverhandlungen und politischen Entscheidungsträger», sagte der Präsident des IPCC, der Süd-Koreaner Hoesung Lee. Etwas dramatischer drückte es Erich Fischer, Klimaforscher an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und einer der leitenden IPCC-Autoren, aus: „Der Klimazustand hat sich rasch weiterverändert, und das Zeitfenster, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, geht allmählich zu“. Was bezeichnend für den Bericht ist, dass sich im Vergleich zu den Verhandlungen über den AR5-Report vor fast acht Jahren sowie all den Diskussionen zu noch früheren Versionen die Debatten offensichtlich viel reibungsloser verliefen. Die IPCC-Autorenschaft setzte sich diesmal wohl klar gegen den bisher immer stattgefundenen Widerstand aus der Politik und anderen Bereichen gegen klare Formulierungen durch. Zudem wurde die Wissenschaftlichkeit des Berichts nicht mehr angetastet. So wird nun auch die Verantwortlichkeit klar dargestellt: Der Mensch ist gemäss IPCC klar und deutlich für die gesamte beobachtete Erderwärmung seit der vorindustriellen Zeit verantwortlich (1,6 Grad auf dem Land, 0,9 Grad über dem Meer, 1,1 Grad im globalen Mittel)!

Nach dreieinhalb Jahrzehnten, in denen sich Stillstand, Rückschritte und einige wenige, mühsam erkämpfte Fortschritte in der Bekämpfung des Klimawandels einander ablösten, geht es nun also zu wie beim Domino: Die Widerstände gegen die globale Energiewende, die unser Klima retten soll, fallen – einer nach dem anderen. Jahr für Jahr werden sogar die optimistischsten Prognosen zu den Möglichkeiten neuer Technologien von den aktuellen Entwicklungen eingeholt und übertroffen. An Ideen, technologischen Möglichkeiten und konkreten Initiativen mangelt es nicht. Fast alle drehen sich um den zentralen Faktor des Klimawandels: Energie. Denn mit Ausnahme einiger Teile der Landwirtschaft (die allerdings auch einen grossen Beitrag liefern) lassen sich alle Einflüsse, die der Mensch auf das Klima nimmt, auf Energieerzeugung und -verbrauch zurückführen. Angetrieben durch die erstaunlichen technologischen Fortschritte auf den Gebieten Photovoltaik, Windkraft und Batterie-Energiespeicherung sowie Nanotechnologie und künstlicher Intelligenz stehen wir heute an der Schwelle zur schnellsten und tiefgreifendsten Umwälzung auf dem Energiesektor der letzten 150 Jahre.

Mein neues Buch führt Sie durch die Welt der Energie und des Klimas auf unserem Planeten und liefert Fakten:

  • Was ist überhaupt Energie?
  • Wie erzeugen, transportieren und speichern wir Energie?
  • Warum beeinflusst unsere Art des Energieverbrauchs das Klima?
  • Wie funktionieren die Klimamodelle der Wissenschaftler und kann man ihnen wirklich trauen?
  • Was dürfen wir vom technologischen Fortschritt erwarten?
  • Welche Möglichkeiten haben wir, Energie ohne negative Klimaeffekte zu erzeugen?
  • Können wir uns das leisten?

Die Antworten, die dieses Buch gibt, widerlegen die Meinungen der wenigen Klimaskeptiker und  -leugner, die teils immer noch für grosse Verwirrung sorgen. Und die präsentierten Tatsachen zeigen: Yes, we can! Die Lage ist tatsächlich sehr ernst, aber wir können einen Weg beschreiten und sind teils schon dabei, den verheerenden Klimatrend umzukehren – und das gar ohne signifikante Wohlstandsbeschränkung. Nach drei Jahrzehnten Tiefschlaf und sträflich verpasster Gelegenheiten hat sich endlich eine erfolgversprechende Dynamik eingestellt. Viel haben wir auf unserem Weg in die Klimaneutralität schon erreicht – zum Beispiel wurde 2020 in Deutschland nahezu gleich viel regenerativer wie fossiler Strom verwendet. Nun kommt es darauf an, dass uns mitten in der Energiewende nicht die Luft ausgeht und wir weiterhin die ökonomischen und politischen Herausforderungen, die mit ihr kommen, meistern. Denn unsere Reise in eine Treibhausgas-freie Zukunft hat längst begonnen. Die Lage ist sehr ernst, aber wir haben durchaus Konzepte, den verheerenden Klimatrend aufzuhalten und umzukehren.

So verfügen wir schon heute über die technischen Möglichkeiten (und in der Zukunft umso mehr), um den verheerenden Klimatrend ohne signifikante Wohlstandsbeschränkung umzukehren. Die Hindernisse liegen vor allem in ökonomischen und politischen „Sachzwängen“ und partikulären wirtschaftlichen Interessenskonflikten. Diese zu überwinden, darum geht es in der zukünftigen Energiepolitik.

Lars Jaeger, Wege aus der Klimakatastrophe – Wie eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik geling, Springer Verlag, ISBN: 978-3-662-63549-0, Erscheinungstermin: Sept. 2021 https://www.springer.com/de/book/9783662635490

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