Mal wieder eine Klimadiskussion beim WEF – Dabei finden die wichtigsten Entwicklungen ganz woanders statt

Seit mehr als 50 Jahren warnen Klimawissenschaftler unterdessen vor dem Klimawandel. Bis vor kurzem wurden sie weitestgehend ignoriert, ja von vielen Ökonomen und Unternehmen gar aktiv bekämpft. Doch unterdessen lässt sich der Klimawandel kaum mehr leugnen, ist er doch an zahlreichen Orten auf unserem Planeten längst Realität geworden. Doch warum haben Regierungen trotz der Warnungen der Klimaexperten so etwas Wichtiges wie den Klimawandel jahrzehntelang komplett unterschätzt? Neben dem starken Einfluss von Ölfirmen (in den USA) lässt sich hier ein weiterer Grund finden: Politiker hören vor allem auf Wirtschaftswissenschaftler. Es existieren Hunderttausende exzellente Fachartikel von Klimawissenschaftlern, aber wenn man sich anschaut, wen die Regierungen in ihren eigenen Arbeiten zum Klimawandel zitieren, dann sind es zu zwei Drittel Artikel von Wirtschaftswissenschaftlern. Dabei haben Wirtschaftler von der Wissenschaft zumeist keine Ahnung. Kommen sie gerade deshalb den Regierungen der Welt gerade recht, müssen diese damit nichts gegen den Klimawandel unternehmen?

Tatsache ist: Der Klimawandel ist keine Bedrohung mehr, die am Horizont auftaucht. Er ist in unserem Alltag angekommen und bedroht schon heute das Überleben vieler Menschen: Überschwemmungen, Artensterben, Migration, Dürren, Super-Tornados, neue Muster von Wirbelstürmen, Verlust von Eisfeldern in Gebirgen und viele andere Klimaereignisse – der Klimawandel geschieht bereits. Und dahinter steht nicht einmal eine große Überraschung, sind doch die Hauptprobleme seit den 1980er Jahren bekannt: Vom Menschen verursachte Treibhausgase – vor allem Kohlendioxid, CO2 – verursachen die Erwärmung unseres Planeten. Damals lagen bereits konkrete Handlungspläne auf dem Tisch, doch eine mächtige Industrielobby verhinderte deren Umsetzung und untergrub gezielt den Ruf der beteiligten Wissenschaftler. Wissenschaftler kennen den Treibhauseffekt im Übrigen schon viel länger. So hat der schwedische Chemiker Svante Arhenius bereits 1896 darauf hingewiesen!

Nun lässt sich kaum behaupten, dass in der Politik in den letzten Jahren nichts passiert ist. So wetteifern Politik und Wirtschaft heute teils gar darum, sich gegenseitig in ihren Bemühungen zu übertreffen, die Klimakatastrophe zu verhindern (oft jedoch mit vielen Worten und wenig Taten, wie es am besten wohl die deutsche Ex-Kanzlerin Angelika Merkel aufzeigte). Im Herbst 2020 kündigten sowohl die EU als auch China einen Fahrplan für eine CO2-neutrale Wirtschaft bis 2050 bzw. 2060 an. Kurz darauf verpflichtete sich auch die deutsche Automobilindustrie mit diesem Ziel. Und nachdem Donald Trump abgewählt wurde, zogen die USA nach (zunächst allerdings noch hauptsächlich mit der lauten Stimme von Joe Biden). Doch werden die Hauptaktivitäten dafür (nur in Europa gibt es bereits entsprechende Gesetze) erst in den 2030er und 2040er Jahren unternommen. Dafür müssen sich die heutigen Politiker dann wohl auch nicht mehr vor das Volk stellen.

Das mitunter beste Beispiel für viel Gerede und das Gegenteil von Aktion ist das alljährliche World Economic Forum (WEF) Treffen in Davos, der Schweiz. Seit Jahren sprechen dort die führenden Wirtschaftler und Industriebosse (mit ein paar wenigen Wissenschaftlern, die dann im Hintergrund reden) über das Klima. Man muss sich wundern, was da ausser Worten noch rauskommen soll, diskutieren doch damit nicht nur die, was den Klimawandel angeht, wohl mitunter Ahnungslosteten, sondern auch diejenigen mit dem wohl stärksten Interessenkonflikt, der sich in den letzten Jahrzehnten so mächtig manifestierte und so die Ignoranz des Klimawandels massgeblich zu verantworten hat. So reist noch heute mehr als jeder zehnte Teilnehmende, darunter so ziemlich jeder Superreiche, mit dem eigenen Businessjet zum WEF an. Können wir denen bei der Klimadiskussion wirklich auch nur geringfügig vertrauen? Erscheinen sie vielmehr nicht als so ziemlich die Letzten, denen man die Verbesserung der Welt überlassen kann?

Am meisten hat sich wohl in der Wissenschaft getan. Die CMIP6-Modelle der Forscher, die im August 2021 und Anfang 2022 im AR6-Bericht veröffentlicht wurden, sind in ihren Ansprüchen an die Modellgenauigkeit noch weitaus ambitionierter und an den Ergebnissen weitaus schärfer als ihre Vorgänger. Zum Beispiel wird in einigen von ihnen die räumliche Auflösung der Gitter, auf denen das globale Klima modelliert wird, auf weniger als 100 Kilometer reduziert. Dadurch lassen sich die Auswirkungen der Wolkenbildung auf das lokale und globale Klima immer besser bestimmen. Gleichzeitig hat sich die zeitliche Dichte der Messungen deutlich erhöht. «Dieser Bericht ist von unschätzbarem Wert für künftige Klimaverhandlungen und politische Entscheidungsträger», sagte der Vorsitzende des Publikationsorgans IPCC («Intergovernmental Panel on Climate Change»), der Südkoreaner Hoesung Lee. Bezeichnend an dem Bericht ist, dass die Debatten im Vergleich zu den Verhandlungen acht Jahre zuvor offenbar reibungsloser verlaufen sind. Die IPCC-Autorenschaft hat sich dieses Mal wohl eindeutig gegen den üblichen Widerstand von Politikern und Wirtschaftlern gegen klare Formulierungen durchgesetzt. So wurde auch die Verantwortung klar benannt: Laut IPCC ist der Mensch («mit 100% Wahrscheinlichkeit») für die gesamte beobachtete globale Erwärmung seit der vorindustriellen Zeit verantwortlich (1,6 Grad an Land, 0,9 Grad über dem Meer, 1,1 Grad im globalen Durchschnitt).

Doch es gibt auch Gründe zum Optimismus (auch wenn diese kaum bei den Wirtschaftsführern in Davos zu finden sind): Abgesehen von einigen Aspekten der Landwirtschaft (die allerdings ein bedeutender Klimafaktor sind und stark mit unserer Ernährung zusammenhängen; aber auch hier gibt es erste – wenn auch noch langsamere – Entwicklungen), lassen sich alle Einflüsse des Menschen auf das Klima auf die Art und Weise zurückführen, wie wir Energien erzeugen (genauer umformen) und verbrauchen. Und hier liegt Hoffnung: Angetrieben von den erstaunlichen technologischen Fortschritten in den Bereichen Photovoltaik und Batteriespeicherung sowie Nanotechnologie und künstliche Intelligenz stehen wir an der Schwelle zur schnellsten und weitreichendsten Revolution im Energiesektor der letzten 150 Jahre! Wir verfügen bereits heute über die technischen Möglichkeiten, die verheerenden Klimatrends umzukehren, ohne den Wohlstand wesentlich einzuschränken (die in Zukunft wohl noch weiter ausgebaut werden). Wenn dann desweiteren ganz neue Technologien ins Spiel kommen (wie die «Kernfusion», wo sich nach vielen Jahren und Jahrzehnten Stillstand nun ganz interessante Möglichkeiten abzeichnen), sind die technologischen Möglichkeiten, dem Klimawandel entgegenzuwirken, sogar noch bedeutender. Die Hindernisse liegen vor allem in wirtschaftlichen und politischen «Sachzwängen» und spezifischen Interessenkonflikten dort. Diese zu überwinden – das ist der Kern der zukünftigen Energiepolitik. Alternativen Technologien stehen uns dafür bereits zur Verfügung (was sich z.B. auch an den Bestrebungen selbst von so manchen Ölkonzernen zeigt, auf ökologische Energiequellen zu setzen).

3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Bezüglich Kernfusion halte ich das für Technologieoptimismus, der keinen festen Boden hat. Wir sind immer noch mindestens 30 Jahre entfernt… wie immer. (s. https://www.spektrum.de/news/ist-in-der-fusionsforschung-ein-durchbruch-gelungen/2087187 ). Das war kein Durchbruch zu Nettoenergiegewinn und die Lasertechnologie ist nicht für kontinuierlichen Betrieb geeignet – wohl aber für die militärische Nutzung (NIF !!!).

    Vermutlich wird es nicht ohne massive Einschränkungen gehen oder wir fahren das Klima an die Wand. Das hört man nicht gern, schon gar nicht auf einem WEF. Selbst wenn wir alles mit Photovoltaik und Windenergieanlagen zubauen, wird der „Rebound-Effekt“ dazu führen, dass die gewonnene „mehr Energie“ sofort durch neue Anwendungen aufgebraucht wird. Ich befürchte, wir werden den Wachstumspfad durchbrechen müssen, hin zu „zyklischen“ Wirtschaftsmodellen mit vielen Einschränkungen und starker staatlicher Regulierung…. sehr unbeliebt und unliebsam… ( erste Überlegungen dazu bei „Ulrike Herrmann, Das Ende des Kapitalismus“ , https://www.zeit.de/arbeit/2022-12/das-ende-des-kapitalismus-buch-gruenes-wachstum-ulrike-herrmann-interview )

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  • „Die Hindernisse liegen vor allem in wirtschaftlichen und politischen «Sachzwängen» und spezifischen Interessenkonflikten dort.“

    Ich halte diese Aussage für den eigentlichen Irrtum, nämlich dass das Problem allein technisch zu überwinden ist und es dann weitergeht wie bisher.
    Zunächst geht es nicht nur um den Klimawandel, sondern etwa auch um das Artensterben, die Plastikflut, die Migration usw., vor allem aber auch um drohende Kriege mit den modernen Massenvernichtungswaffen (erst recht wenn die Ressourcen knapp werden).

    So gut die Wissenschaft auch in der Klimaforschung arbeitet, so sehr versagt sie in einem anderen Bereich, nämlich der Erforschung der menschlichen Natur. Mit anderen Worten, wo liegen die Gründe dafür, dass Menschen die technischen Lösungen eines überlebenswichtigen Problems „ausbremsen“, d.h. sie zwar so tun als machten sie alles dagegen, faktisch aber nur eine Alibipolitik betreiben? Und am offensichtlichsten, warum halten die Menschen auch im Zeitalter der Massenvernichtungswaffen an ihren alten Aggressionsmustern fest und riskieren dabei einen dritten Weltkrieg mit den modernen Waffen?

    Zu dieser Natur des Menschen und ihrer Aufklärung ein Auszug aus einem SPIEGEL-Gespräch (Nr. 8-2013) mit dem Evolutionsbiologen Edward O. Wilson (https://www.spiegel.de/wissenschaft/wir-sind-ein-schlamassel-a-232d0211-0002-0001-0000-000091056794):
    SPIEGEL: Der Mensch hat also noch immer steinzeitliche Gefühle …
    Wilson: … mittelalterliche Institutionen und gottgleiche Technik. Und damit müssen wir umgehen.
    SPIEGEL: Wie denn?
    Wilson: Wie oft wissen wir das nicht – auch in der Politik – weil wir die menschliche Natur nicht genug verstehen! Wir haben sie bisher noch nicht sorgfältig genug nach allen Regeln der Wissenschaft studiert. Was wir brauchen, ist eine neue Aufklärung. Im 18. Jahrhundert, im Zeitalter der klassischen Aufklärung, war die Wissenschaft noch nicht so weit. Aber jetzt können wir es schaffen. Jetzt können wir zu einem besseren, auf Wissenschaft gegründeten Verständnis unserer selbst gelangen.
    SPIEGEL: Die Religion würden Sie dabei am liebsten über Bord schmeißen?
    Wilson: Nein, das ist ein Missverständnis. Ich will nicht, dass die katholische Kirche mit all ihrer wundervollen Kunst, ihren Ritualen und Chorälen verschwindet. Ich wünschte nur, dass sie auf ihre Schöpfungsgeschichten verzichten würde und auf den Mythos der Auferstehung.
    SPIEGEL: Diese Hoffnung dürfte vergebens bleiben …

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    • Noch eine Erläuterung zum „Versagen“ der Evolutionsbiologie bezüglich der großen Probleme des modernen Menschen wie etwa im Fall des Klimawandels.

      Dieses Versagen wird an dem wortwörtlichen »Fall« des Evolutionsbiologen Edward O. Wilson deutlich. Wilson hatte in den 1970er Jahren das neue Paradigma der Soziobiologie mit ihrem Kern der Verwandtenselektion begründet (besser den schon vorhandenen Theorien zum Durchbruch verholfen und mit dem neuen Namen versehen). Dieses neue Paradigma löste in den USA die sogenannten „Wissenschafts-Kriege“ (siehe Segerstrale) aus, weil dem neuen Paradigma Rassismus vorgeworfen wurde. Dann geschah das Unvorstellbare, denn keine Geringer als Wilson selbst falsifizierte dieses Paradigma zum Entsetzen seiner Kollegen ab ca. dem Jahr 2010 wieder, allerdings nicht wegen des Rassismusvorwurfs, sondern aufgrund neuer Erkenntnisse aus dem Tierreich. Mit einem neuen (dichotomen) Ansatz zur Evolution des Menschen schaffte es Wilson dann endlich, die gegenwärtige so rasante Entwicklung des Menschen mit all ihren Problemen wie etwa dem Klimawandel als Fortgang der (nun kulturellen) Evolution zu verstehen, besonders in der Aussage:
      „In unseren Emotionen aber sind wir nicht einmalig. Dort findet sich, wie in unserer Anatomie und im Gesichtsausdruck, was Darwin den unauslöschlichen Stempel unserer tierischen Vorfahren nannte. Wir sind ein evolutionäres Mischwesen, eine Chimärennatur, wir leben dank unserer Intelligenz, die von den Bedürfnissen des tierischen Instinkts gesteuert wird. Deswegen zerstören wir gedankenlos die Biosphäre und damit unsere eigenen Aussichten auf dauerhafte Existenz.“ (Wilson 2013, „Die soziale Eroberung der Erde“, S. 23).

      Doch dieser neue Ansatz wurde in der Evolutionsbiologie nicht mal diskutiert. So wirft Richard Dawkins seinem einstigen „lebenslangen Helden“ Wilson heute „schamlose Arroganz“ und „perverse Missverständnisse“ vor, Wilsons Buch „’Die soziale Eroberung der Erde’ sei ein Buch, das man ‚mit Wucht wegschleudern’ sollte“ (Der SPIEGEL Nr. 8/2013). In einer Besprechung dieses Buches von Wilson in der Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“ vom 31.08.2013 mit dem Titel „Hybris einer Forscherlegende“ heißt es in ähnlicher Weise verächtlich über den einst gefeierten Star der Evolutionsbiologie: „Der begnadete Popularisierer ist eben auch ein Simplifizierer, der oft ins Ungefähre abdriftet.“ In den Nachrufen auf Wilson fand sein revolutionär neues Verständnis der Evolution des Menschen nicht einmal mehr eine Erwähnung.

      Das zeigt einerseits wie kränkend dieser neue Ansatz von Wilson (dem nach wir nicht nur von tierischen Instinkten beeinflusst, sondern sogar „gesteuert“ werden) für uns ist. Und es zeigt darin, wenn dieser Ansatz richtig sein sollte, vor was für Umwälzungen das Mensch-Sein in seiner gegenwärtigen Evolution steht. Es geht dabei nicht um bestimmte technische Erfordernisse, sondern um unser Selbst- und Weltverständnis – und der Einsatz dabei ist letztlich der unserer Existenz.

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