Bidens neue Klimapolitik – Sind die USA zurück an der Seite der EU in der globalen Energiepolitik?

Die USA deklarieren sich seit Neustem wieder als Klima-Champion, eine Rolle , die sie zuletzt in den 1980er Jahren derart deutlich für sich beanspruchten, damals noch zu Recht. Doch klar ist: Joe Biden setzt mit aller Deutlichkeit neue Schwerpunkte. Auf seinem zweitätigen Gipfel mit der Welt-Politprominenz erreichte er deutlich mehr als die Uno im gesamten letzten Jahr.

Um den Kontext klar zu machen, hilft ein Blick auf den Hintergrund: Im Dezember 2019 beschloss die Europäischen Kommission den grossen «European Green Deal». Bis 2050 sollen die Netto-Emissionen von Treibhausgasen innerhalb der Europäischen Union auf null reduziert sein. Die Restmengen an CO2, die dann durch den Menschen noch emittiert werden, müssen durch Maßnahmen wie CO2-Speicherung und Aufforstung ausgeglichen werden. Damit wäre Europa der erste klimaneutrale Kontinent überhaupt. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zum Basisjahr 1990 um 55 Prozent sinken – ein sehr sportliches Vorhaben. Zu diesem Zweck will die EU innerhalb des Jahrzehnts der 2020er Jahre rund eine Billion Euro investieren. Dabei wollte das EU-Parlament eigentlich noch mehr: eine Senkung der Klimagase um 60 Prozent und eine schärfere Berechnungsmethode. Gestritten wurde im Wesentlichen lange darüber, ob und inwieweit die Mengen Kohlendioxid, die Wälder, Pflanzen und Böden speichern, einberechnet werden. Doch im April 2021 wurden die Ziele endlich gesetzlich verankert. 15 Klimaexperten, sollen die Umsetzung der Ziele begleiten.

Nur wenige Monate nach der Bekanntgabe der originalen Pläne der EU-Kommission folgte China und gab bekannt, dieses Ziel im Jahr 2060 erreichen zu wollen. Und der im Januar 2021 ins Amt gekommen US-Präsident Joe Biden will sein Land nun ebenfalls schnell auf diesen Kurs bringen. Er will die Klimapolitik sogar zum Zentrum seiner Außenpolitik machen und staatliche Subventionen für fossile Energieträger massiv beschränken. So kündigte er auf der virtuellen globalen Energiekonferenz Ende April 2021 an, die Vereinigten Staaten werden ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 50-52% unter das Niveau von 2005 senken. Dies wiederum ließ andere Länder folgen: Auf dem Klimagipfel, der am 23. April 2021 zu Ende ging, kündigten mehrere andere Länder an, ihre Klimaziele weiter zu erhöhen:

  • Kanada hob seine Ziele der CO2-Reduktion von 30 auf 40 bis 45 Prozent für 2030 gegenüber 2005 an.
  • China stellte eine Verringerung seines Kohleverbrauchs nun bereits ab 2025 in Aussicht.
  • Japan will nun seine CO2 Emissionen bis 2030 um 46 Prozent im Vergleich zu 2013 verringern, nachdem zuvor nur 26 Prozent vorgesehen waren.
  • Großbritannien war sogar mit der Ankündigung einer 78-prozentigen CO2-Einsparung bis 2035 vorgeprescht.

Aus der europäischen Initiative ist damit eine globale Dynamik geworden. Doch anders als in Europa muss diese noch gesetzlich verankert werden. Bisher sind sie alles nur Ankündigungen. Mit möglichst grossem Einfluss umsetzbar sind sie, wenn unter anderem die beiden folgenden generellen Probleme gelöst werden:

  • 40 Prozent der in Europa verbrauchten Energie wird für die Heizung von Gebäuden aufgewendet; vier Fünftel davon zum Heizen. Die Wärmedämmung von Altbauten kommt jedoch nur schleppend voran. Wenn die Renovierungsgeschwindigkeit nicht deutlich ansteigt, wird es trotz aller Anstrengungen der letzten Jahrzehnte weitere hundert Jahre dauern, den Wärmeverlust durch schlecht gedämmte Gebäude in den Griff zu bekommen.
  • Es mangelt noch an staatenübergreifender Zusammenarbeit. Beispielsweise wäre ein europäischer Stromverbund ein großer Schritt in Richtung Grundlastfähigkeit für Wind- und Sonnenenergie. Eine Verbindung der windreichen Regionen Nordskandinavien, Nordatlantik/Nordsee und Balkan sowie der sonnenreichen Gegenden Südeuropas mittels Hochspannungs-Gleichstromleitungen würde die Unsicherheiten in der Verfügbarkeit von Wind- und Sonnenenergie deutlich verringern.

Der Vergleich der großen Mächte Europa, China und USA zeigt, dass Europa und China in den letzten Jahren willens und in der Lage waren, das Klimaproblem anzugehen – und dass ihre Wirtschaft angesichts dieser Entschlossenheit offenbar keinen Schaden nimmt. Die Innovationskraft der USA auf dem Feld der erneuerbaren Energien könnte dagegen durch die langen Jahre der Ignoranz ins Hintertreffen geraten sein. Kein Wunder, dass Biden die Klimapolitik nun so hart vorantreibt. Die jahrzehntelang vernachlässigte und notorisch schlechte Infrastruktur des Landes verschärft die Probleme nur. In einem Land mit großen Entfernungen tragen die strukturellen Versäumnisse zum Wettbewerbsnachteil bei. Genau dies will Joe Biden nun angehen. Doch während China, ebenfalls ein großes Land, sein Eisenbahnsystem in den letzten 20 Jahren in atemberaubendem Maße ausgebaut hat und man unterdessen mit dem Zug die Entfernung von mehr als 1300 km zwischen Peking nach Shanghai in 4h30min bewältigen kann, gibt es zwischen San Francisco und Los Angeles noch nicht einmal eine direkte Zugverbindung und mit Umsteigen braucht ein Zugreisender für die ca. 600 km lange Entfernung – weniger als die Hälfte der zwischen Peking nach Shanghai – fast 13 Stunden. Es wird sich zeigen, ob die USA den durch die Versäumnisse der Vergangenheit entstandenen Rückstand aufholen kann. Bidens Problem wird der Widerstand der Republikaner im Senat sein. Wenn die Regel immer noch zutrifft, dass 60 Stimmen benötigt werden, um die dafür notwendigen Gesetz durchzubekommen, müssten zahlreiche Republikaner Bidens Paket unterstützen. Das erscheint jedoch höchst unwahrscheinlich.

Mit Ausnahme der Obama-Jahre wurde die nationale US-Klimapolitik vierzig Jahre lang fast ausschließlich von einer rechtkonservativen Ideologie bestimmt. Es bleibt abzuwarten und zugleich stark zu hoffen, ob und dass sich dies nun deutlich verändert.

1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Das sind ja alles schöne Ziele. Aber sie reichen allesamt leider nicht aus, wenn man auf das CO2-Budget guckt. Danach haben wir das Budgetin weniger als 8 Jahren aufgebraucht, wenn wir weiter so machen wie bisher. Es geht vor allem darum, wie viel CO2 wir noch emittieren, nicht um Zieljahre. Es geht darum, dieses Jahr mindestens 8% weniger Emissionen zu verursachen, nächstes und übernächstes Jahr auch und so lange, bis wir auf Null sind. Es ist dringend Zeit, Zielvereinbarungen für dieses und nächstes Jahr zu machen, und nicht die Ziele in eine Zeit zu setzen, in der viele Politiker nicht mehr im Amt sein werden.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Maiken Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Sie müssen den Bedingungen zustimmen, um fortzufahren.