Wissenschaft und Spiritualität im Spannungsfeld moderner Herausforderungen – Ein Versuch der Orientierung

Wer sich mit der Naturwissenschaft und ihren Erkenntnissen beschäftigt, sieht sich früher oder später mit einem Begriff konfrontiert, der seinen Ursprung in der Philosophie hat, dessen Heimatdisziplin jedoch nie genau festzustellen vermochte, was er eigentlich genau bezeichnet. Es handelt sich um den Begriff der „Wahrheit“. Auch spirituelle Bewegungen und Religionen beanspruchen diesen Terminus gerne für sich. Dass Wissenschaft zu beiden und mit diesem Begriff enge Zusammenhänge aufweist, zeigt ein Blick auf ihre Entstehungsgeschichte. Ihr Anfang im 17 Jahrhunderts war von religiösen Wahrheitsbestimmungen gar derart durchdrungen, das man diesen eine wesenskonstituierende Rolle bei ihrer Entwicklung zusprechen muss. Schon in den antik-historischen Anfängen der Wissenschaften, bei den Vorsokratikern, entstanden die Grundlagen einer Metaphysik, die in philosophischer Sehnsucht nach einer absoluten und letzten Wahrheit nach den sich hinter den Phänomenen der Natur verbergenden letzten Gründen und Zusammenhängen suchte. Für dieses letzte, unbedingte, von nichts anderem mehr Abhängende haben die Philosophen einen eigenen Begriff: ‚Substanz‘. Es geht also in der Naturphilosophie bei der Frage nach Wahrheit auch um die Frage nach der letzten Substanz. Ungeachtet der philosophischen Schwierigkeiten, die sich mit dem Gedanken eines absoluten und finalen Wissens von der Natur und ihrer substantiellen Entitäten ergaben, hielt sich der ihm zugrunde liegende intellektuelle Antrieb bis in die späte Neuzeit. Er motivierte Kepler in seiner Planetenlehre, galt Newton als philosophische Grundlage für sein mathematisches System der Mechanik und liess die Physiker noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der Einheit aller Naturwissenschaften träumen. Auch die mit Descartes und Leibniz beginnende moderne Naturphilosophie leitete der Wunsch und Glaube an die Möglichkeit absoluter Gewissheit, welche, wie die beiden Philosophen, Mathematiker und Naturwissenschaftler erkannten, ihre Begründungsprinzipien zuletzt nur jenseits des sinnlich Erfahrbaren im Transzendenten finden kann. Erst mit der Entstehung der modernen Physik im 20. Jahrhundert beschleunigte sich ein Prozess, in welchem die Idee des Absoluten in den Naturwissenschaften systematisch zugunsten einer empiristisch-positivistischen Ausrichtung zurückgedrängt wird. Wir erkennen heute, dass der Erfolg der Wissenschaften in den letzten 100 Jahren sein zentrales Entwicklungsmoment erst durch die konsequente Eliminierung des metaphysischen Traums von einer Substanz und dem universell Wahren, und dem damit verbundenen radikalen Wechsel ihres Erklärungsanspruches gewonnen hat.

Diese Entwicklung besitzt eine beachtenswerte Dimension im politischen Raum, worauf der Philosoph Karl Popper prominent hinwies: In der Loslösung von absoluten wissenschaftlichen Wahrheitsansprüchen lassen sich erstaunliche Parallelen zur gesellschaftlichen Herrschaftsdynamik und Machtlegitimation erkennen. Noch jedes Mal, wenn die Menschen glaubten, sie hätten die perfekte Gesellschaftsform gefunden, endeten sie in der Erstarrung eines despotischen Absoluten. Die Naturwissenschaften lehren uns die Dynamik eines ständigen Befragens des Status quo unserer eigenen intellektuellen Solidität und die nicht endende kritische Reflexion unseres gegenwärtigen Denkens. So befinden sich auch politische Entscheidungsprozesse in einem permanenten Reparaturmodus, in welchem sich seine Träger immer wieder hinterfragen und rechtfertigen müssen, so dass der Weg echten Fortschritts stets über die permanente Korrektur falscher Entscheidungen verläuft. Wie die Wissenschaft ihren absoluten Wissens- und Wahrheitsanspruch aufgegeben hat und unser Wissen von der Natur als immer wieder korrigier- und erweiterbar ansieht und damit eine letzthin historisch beispiellose moderne Fortschrittsdynamik definierte, so trugen offene, anti-autokratische und demokratische Gesellschaften des 20. und 21. Jahrhunderts ihrerseits zu einer nicht minder unerreichten gesellschaftlichen Wachstums- und Wohlstandsentwicklung bei.

Doch eröffneten sich mit der modernen Wissenschaft auch neue Problemfelder. So verlor die Physik spätestens mit der Atombombe ihre ethische Unschuld, was der Chemie mit der Entwicklung von Giftgaswaffen bereits dreissig Jahre zuvor im Ersten Weltkrieg widerfahren war. Und geht es um Fragen der Genmanipulation, Stammzellenforschung, künstlichen Intelligenz oder der Herstellung synthetischen Lebens, sehen heute auch viele nicht-religiöse Menschen in der modernen Biologie und Informationswissenschaften moderne Varianten des Goethe’schen Zauberlehrlings am Werk. Niemand kann mehr ernsthaft beanspruchen, dass sich die Naturwissenschaften ethischen Fragen entziehen und sich auf den Anspruch eines „objektiven Erkenntnisparadigmas“ zurückziehen können.

Dabei stehen uns noch ganz andere Entwicklungen bevor. Mit den Aussichten des wissenschaftliche Fortschritt und technologischen Entwicklung in den nächsten Jahren wird sich unser Bild von uns selbst und unsere Interaktion mit der uns umgebenden Natur mit hoher Wahrscheinlichkeit noch weitaus dramatischer verändern als dies in den letzten 400 Jahren seit der wissenschaftlichen Revolution bereits geschehen ist. Wir erleben möglicherweise bereits die Anfänge einer historischen Umbruchssituation, im Verlaufe derer der Mensch nicht nur neue, atemberaubende Technologien entwickeln, sondern zuletzt gar das menschliche Wesen, seine Identität und sein Bewusstsein grundlegend verändern könnte. In Anbetracht dieser Entwicklungen wird es in vermutlich schon in nicht allzu ferner Zukunft einen Moment geben, in dem sich die Spielregeln des menschlichen Lebens auf diesem Planeten fundamental verändern werden. Sind wir darauf vorbereitet, gerade auch in ethischer Hinsicht? In Anbetracht der Dramatik der Entwicklungen sollten wir fragen, welche nicht-naturwissenschaftlichen Formen der Weltsicht uns Unterstützung bei diesen Herausforderungen geben könnten. Welche Rolle könnten spirituelle Denktraditionen dabei spielen? Und wie sieht ein spirituelles Selbstverständnis aus, das den sich ändernden Bedingungen unseres Wissens und unserer technologischen Möglichkeiten gerecht zu werden vermag? Meine These ist, dass mit der weiteren zukünftigen wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen Spiritualität gerade in ethischer Hinsicht grosse Bedeutung zukommen wird, wenn wir uns als gesellschaftliches Kollektiv an den mit diesen Entwicklungen verbundenen geistigen Herausforderungen nicht scheitern sehen wollen.

Doch wie kann hier Spiritualität überhaupt ins Spiel kommen, fragen sich vielleicht nicht nur Naturwissenschaftler. Um dieser Frage nachzugehen, sollten wir zunächst ihren Begriff von jeglichem religiösem Ballast einer Gottbezogenheit und Transzendenz-Ausrichtung befreien. Mit den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, insbesondere denen der letzten Jahrzehnte, sind wir an einen Punkt gelangt, an dem wir nicht nur alle Phänomene unserer äusseren Erfahrung, sondern auch die inneren in unserem Geist, also unsere kognitiven und mentalen Eigenschaften, als Ergebnis natürlicher Vorgänge zu betrachten anstreben. Das stellt traditionelle Vorstellungen von Spiritualität vor grosse Herausforderungen. Anstatt eines Strebens nach Transzendenzbezügen, wird Spiritualität in einem solchen Rahmen eher zu so etwas wie einer inneren (geistigen) Qualität, einem Zustand unseres Bewusstseins, welcher uns in Denken und Handeln beeinflusst (oder gar bestimmt) und uns auf etwas ausrichtet, beispielsweise auf einen Willen, etwas wissen zu wollen oder auf bestimmte Art zu handeln, eine Qualität, die jedoch zugleich im Leiblichen verankert ist („embodied“, wie es moderne angelsächsische Literatur nennt). Eine solche „naturalistische Einstellung“ erlaubt uns eine neue Sichtweise: Mit ihr gelangen wir von einem starren und dogmatischen Glauben zu etwas wie einer inneren Haltung, was Erkenntnis angeht – oder, wie die Meister der Begrifflichkeit, die Philosophen, sagen würden, zu einer ‚epistemischen Orientierung‘. Kurz und bündig: Es geht um Wissen-Wollen anstatt um Glauben. Spiritualität beschreibt so also eine tiefere Motivation zur Erkenntnisgewinnung, bei der es auf der Suche nach Wahrheit um das Vermeiden von faulen Kompromissen geht. Damit wird Spiritualität zu einer Lebenseinstellung, die sich sowohl in epistemisch-theoretischer als auch an praktisch-sinnhafter Hinsicht an Wahrheiten zu orientieren versucht. Wir sprechen in diesem Zusammenhang allgemein von einer „säkularen Spiritualität“.

Damit können wir unsere Frage, wie Spiritualität hier wirken kann, beantworten: Durch das aufrichtige Bekenntnis zur Ehrlichkeit uns selbst gegenüber. Wir kommen dann aber nicht darum herum, auch die charakterlichen und persönlichen Gemüts-, Motivations- und Glaubenshintergründe der Protagonisten wissenschaftlicher Forschung genauer zu betrachten. Und es wäre sehr überraschend, wenn wir hier ohne einen Blick in den spirituellen, oft nicht-rational geprägten Antriebsmechanismus der beteiligten Menschen auskämen. Motivationen, Lebenseinstellungen, Persönlichkeiten und vieles mehr unseres ‚geistigen‘ (‚spirituellen‘) Hintergrundes bestimmen auf den verschiedensten Ebenen unsere Erkenntnisfähigkeit und Handlungsbereitschaft mit. So wirken beispielsweise Motivationshintergründe wie Gier, Ruhmsucht, Konsumneigung, Aversionen, Stolz, etc. eher einschränkend auf unser ethisches Reflexionsvermögen. Spiritualität umfasst damit Dinge wie Aufrichtigkeit und Distanz zu unseren eigenen Antrieben und Motivationen. Der Philosoph Thomas Metzinger spricht in diesem Zusammenhang von „intellektueller Redlichkeit“, oder dem Bekenntnis, sich nicht „etwas in die Tasche zu lügen“.

Erkennen wir in Spiritualität den kompromisslosen Willen zur Differenzierung und Abgrenzung von unseren egozentrischen sinnlichen oder materialistischen Trieben, von unseren Wünschen nach guten Gefühlen, Bedürfnissen nach emotionaler Sicherheit, Selbsttäuschungen, Ängsten und vielem mehr, dessen Wirkmechanismen mit großer Sicherheit zu einem bedeutenden Teil Bestandeskomponenten unsere evolutionären Erbes darstellen, erkennen wir in ihr den kompromisslosen Willen zu einer unbedingten Aufrichtigkeit, etwas wirklich wissen zu wollen und dann auch angemessen zu handeln, so lässt sich der praktisch-ethische Zusammenhang zwischen ihr und wissenschaftlicher Forschung noch konkreter und gleichzeitig höchstrelevant für unserer heutige Zeit erfassen: In zahlreichen Aspekten wissenschaftlichen Schaffens sehen wir uns heute mit Herausforderungen enormer, teils gar existentieller Tragweite konfrontiert. In ihnen lassen sich die Anfänge einer intellektuellen und ethischen Überforderung der Menschheit erkennen, als Ganzes, angemessen rational zu reagieren. Ob in Sachen Klimaveränderung, Atomkraft, Genmanipulation, Datenschutz, Gesundheitsvorsorge oder vielem anderen: wir handeln als Kollektiv, gelinde gesagt, achtlos und fahrlässig, etwas deutlicher formuliert, wider besseren Wissens. Wir schaffen es einfach nicht, kollektiv zu einer rationalen Haltung zu gelangen und nach einem gemeinsamen Vernunftprinzip zu handeln – wie beispielsweise die Nachhaltigkeit unserer Produktion und unseres Konsums ein solches wäre. Hier kann eine spirituelle Haltung einsetzen: Im ehrlichen Erfassen dessen, ‚was ist‘, in einer gnadenlos reflexiven Einstellung zu dem, was man denkt und glaubt, im vorbehaltslosen intellektuellen Erkennen der zu erwartenden Folgen unseres Gedanken und Handlungen, ohne in Selbsttäuschung zu verfallen, dass „das alles schon okay ist und gut herauskommen wird“, in einer bedingungslosen und interessenskonfliktfreien Unbestechlichkeit, mit der wir zu Werke gehen, wenn wir denken und handeln. Spiritualität ermöglicht uns so einen bewussten, ehrlichen und achtsamen Umgang mit unserer Umwelt und uns selbst.

Dass wir von einer solchen kollektiven Ehrlichkeit und ‚intellektuellen Redlichkeit‘ noch weit entfernt sind, zeigt unsere Reaktion auf die wohl die erste wirklich globale Krise überhaupt, in welcher wir uns als Menschheit in einem einzigen physikalischen und meteorologischen (sowie zugleich medialen) Raum agieren und reagieren sehen: der sich bereits abzeichnende Klimawandel. Nach wie vor verbietet die Komplexität der zugrundeliegenden Zusammenhänge unzweifelhafte Prognosen oder Formulierungen von eindeutigen Kausalzusammenhängen von Seiten derjenigen, die am meisten davon verstehen. Es liegt in der Natur und beruflichen Ethik der forschenden Protagonisten, ihre Aussagen und Modelle immer noch mit dem Prädikat des Unfertigen zu versehen, wenn es noch offene Fragen gibt, auch wenn politische Meinungs- und Entscheidungsträger klare und einfache Antworten erwarten – und in Anbetracht ihres Fehlens gerne eigene erschaffen. Doch zeichnet sich unterdessen eine erdrückende Indizienlage ab: Unser Klima verändert sich dramatisch schnell, und alle einigermassen plausiblen Kausalzusammenhänge verweisen darauf, dass dieser Wandel menschengemacht ist. Nun mag es sein, dass einige Wissenschaftler, wie von „Klimaskeptikern“ gerne behauptet, von einer ‚eigenen Agenda‘ angetrieben sind, d.h. ihr Schaffen von niederen Motiven wie persönlichem Ehrgeiz, Gier nach Macht der Deutungshoheit oder Karrieregeilheit geprägt ist. Es wäre sogar unredlich, gerade sie von der Möglichkeit solcher Handlungsmotive auszunehmen. Doch verfügt der Wissenschaftsbetrieb als ganzer über einen mächtigen und intakten Mechanismus der Selbstkorrektur, welcher solche nicht zu dominanten Einflüssen werden lässt. Dafür gibt es einfach zu viele, wissenschaftlich seriös wie redlich arbeitende, kritische Stimmen, die bereit sind, auch nur der kleinsten Unstimmigkeit in den veröffentlichten Daten und Inkonsistenz in den entworfenen Modellen hartnäckig und unerschütterlich auf den Grund zu gehen. Kritiker der Mainstream-Thesen vom menschenverursachten Klimawandel und Forscher, die Alternativmodelle aufwerfen, sind ein integraler und essentieller Bestandteil des Wissenschaftsbetriebs. Jeder der glaubt, dass solche konträre Auffassungen unterdrückt werden, kennt einfach die Mechanismen der wissenschaftlichen Community nicht. Vielmehr müssen wir uns umgekehrt fragen, ob es redlich ist (und nicht vielleicht Resultat einer eigenen Agenda), jede dieser Unstimmigkeiten und Alternativerklärungen sogleich als Argumentatorium gegen einen etablierten und in sich durchaus kohärenten Konsens zu verwenden, um nicht das wahrhaben zu müssen, was mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft und eine sehr unangenehme Realität darstellt: Unser nicht-nachhaltiger Verbrauch energetischer Ressourcen verursacht Veränderungen im Ökosystem unseres Planeten, welche massiv in die lokalen und globalen Lebensgrundlagen eingreifen, diese potential gar zerstören. Der Versuch über komplexe Kausalketten Alternativmodelle zu dem eines menschgemachten Klimawandels anzubieten, ist durchaus legitim und entspricht sogar dem Geist guter Wissenschaft. Nur sollten wir diese in der öffentlichen und politischen Diskussion nicht als mehr ansehen als das, was sie sind: Modelle, welche mit einer gewissen, zumeist sehr geringen Wahrscheinlichkeit die Klimadynamik korrekt beschreiben und damit keineswegs eine derart gewaltige These zulassen, dass es gar keinen menschenverursachten Klimawandel gibt. In diesem Zusammenhang ist es (auch jenseits einfacher risikoethischer Überlegungen) sinnvoll, sich ein altes methodisches Prinzip der Wissenschaft in Erinnerung zu rufen: Gemäss dem „Ockham’schen“ Rasiermesser sollte man, liegen zwei Thesen vor, welche eine gegebene Beobachtung gleich gut erklären, zunächst diejenige wählen, die einfacher und plausibler ist (Zusammenhang zwischen CO2-Ausstosss und globaler Klimaerwärmung), und nicht diejenige, die komplizierter, uns aber aus welchen Gründen auch immer als angenehmer erscheint (externe Faktoren, die über lange Kausalketten wirken). In solchen Situationen ist mit höherer Wahrscheinlichkeit erstere die zutreffendere.

Doch beschreiben die Ergebnisse der wissenschaftlichen Klimaforschung nicht nur die Gefahr einer massiven Verschiebung des globalen ökologischen Gleichgewichts. Sie greifen zugleich ein menschliches Selbstverständnis an, welches sich in 250 Jahren herausgebildet hat, nach welchem wir uns grenzen- und rücksichtslos der natürlichen Ressourcen dieses Planeten bedienen dürfen, um unsere Konsum- und Lebenslust zu befriedigen. Schirmherr dieser Einstellung ist der neben der einleitend erwähnten „Wahrheit“ wohl am zweitmeisten missbrauchte Begriff des öffentlichen Diskurses: „Freiheit“. Nun bilden Freiheit und Wissenschaft bereits seit diesen 250 Jahren ein mächtiges Bündnis gegen die Bevormundung der Menschen in der vormodernen autoritären Gesellschaftsstruktur. Doch zugleich ist es notwendig, die anthropozentrische Freiheitsbestimmung zu erweitern, indem wir auch der Natur „Rechte“ zuerkennen und somit zu einer entsprechenden bewussten Selbstbegrenzung menschlicher Handlungsmöglichkeiten kommen, welche die Freiheit der menschlichen Gattung auf die Erhaltung nicht nur der mitmenschlichen, sondern auch der aussermenschlichen Natur bezieht. Ist es also intellektuell und ethisch redlich, die Augen vor der sehr wahrscheinlichen Realität zu verschliessen, dass wir dieser Anforderung nicht gerecht werden, und gar der Wissenschaft ihrerseits vorzuwerfen, sie handle interessegetrieben (d.h. nicht integer), weil sie uns mit unangenehmen Aussagen über die Auswirkungen unseres konsumfreudigen Lebensstil konfrontiert?

Zusammenfassend muss es bei der Diskussion um die Wechselwirkung von Wissenschaft und Spiritualität darum gehen, die Bedeutung beider sowie ihrer Gegenseitigkeit für den Nutzen unseres menschliches Leben zu erfassen und mit ihrer Hilfe die Wesenszüge eines humanen und ethisch kohärenten Weltbildes aufzuzeigen. Dabei geht es um beides, spirituelle Motivation (innere Klarheit in der ethischen Ausrichtung und Streben nach Wahrheit) und rationales (wissenschaftliches) Denken. Entgegen weitläufiger Vorstellungen, die Spiritualität mit Obskurantismus in Verbindung bringen, befähigt uns eine Spiritualität wie hier beschrieben zu einer besseren Rationalität und Redlichkeit in unserem Denken und Handeln. Sie wird zu etwas wie einem inneren Kompass, der unserem Geist eine innere Ordnung und Orientierung verleiht, die uns zu einer Autonomie führen, mit der wir uns auf das Essentielle fokussieren können. In der ethischen Erfassung wissenschaftlichen Schaffens und spirituellen Denkens begegnen wir, wie wir es auch immer wenden, einer ihnen beiden gemeinsamen Dimensionen, die für unsere Zukunft von enormer Bedeutung ist. Denn wie wir eingangs sahen: Die zukünftigen technologischen Fortschritt könnten den Menschen und die menschliche Zivilisation in heute noch unvorstellbarer Weise transformieren. Wir fragen daher noch einmal: Sind wir Menschen auf diese Entwicklung vorbereitet, und welches sind auf diesem Weg mögliche Leitposten für uns? Auf sie könnte es ankommen.

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