„Quantenheilung: Wirkt sofort – und jeder kann es lernen“ – wer ist noch nicht mit Parolen wie dieser konfrontiert worden? Insbesondere, denjenigen, die sich etwas näher an der esoterischen Szene bewegen, werden solche Aussagen geläufig sein. Dann ist von nicht weniger die Rede als von Wunderheilungen und anderen faszinierende Dingen, mit denen man – je nach Bedarf – die Seele reinigen, die Wohnung einrichten (mit Quanten-Feng-Shui) oder mit Hilfe der „Quanten-Resonanz“ sogar die perfekte Liebesbeziehung führen kann. Selbst in die Erforschung unseres Bewusstseins hat die Quantenphysik unterdessen Einzug gehalten.

Die „postphysikalische Quantenbewegung“, wie ich sie hier mal nennen will, blickt auf eine gewisse Tradition zurück. Bereits in den 1970er Jahren verfasste der Physiker Fritjof Capra das Buch „Das Tao der Physik“, in welchem er behauptete, dass der Mystik der alten Inder nichts Geringeres als die Erkenntnisse der modernen Quantentheorie zugrunde liegen – wenn auch in poetisch-metaphysischer Form verpackt. Nun findet, wer sich ernsthaft mit beispielsweise der buddhistischen Lehre beschäftigt, darin durchaus interessante Aussagen, die sich in gewisser Hinsicht mit den Erkenntnissen der modernen Physik vergleichen lassen. Eine ganzheitliche Verbindung eines Quantenteilchens mit seiner Umwelt, die Aufhebung der Subjekt-Objekt-Dualität und die Ablehnung jeglicher unabhängiger Substanz, das sind Einsichten, die sich mit den Jahrtausende alte Ideen aus der geistigen Tradition des Buddhismus vergleichen lassen, wie sie insbesondere in der Madhyamaka-Philosophie des indischen Denkers Nagarjuna im zweiten Jahrhundert n.u.Z. ausgearbeitet wurden. Doch entwickelte sich aus den von Capra entwickelten Gedanken eine Eigendynamik, die sein Buch zu einer neuen Bibel all jener werden liess, die nichts sehnlicher wollen als die (gemäss Max Weber) „durch wissenschaftliche Rationalität entzauberte Weltsicht“ wieder spirituell aufzufüllen. So geistert das Wort „Quanten“ bis heute in der Alternativ- und Esoterik-Szene umher und muss für allerlei Unfug herhalten.

Denn wie sich zeigte, sind „Quanten“ die perfekte Bezeichnung für so ziemlich alles, was sich eigentlich nicht bezeichnen lässt. Kommt dazu, dass sich fast niemand damit so richtig auskennt und sich die „Quanten“-Protagonisten somit nur selten für ihr Unwissen rechtfertigen müssen. Das macht den „Eso-Mix für Denkfaule“ perfekt. Wer wagt schon zu widersprechen, wenn sich jemand auf Quantenphysik bezieht? Dann reichen Sätze wie „Alles hängt mit allem zusammen”, um die Herzen vieler höher schlagen zu lassen. Dabei wird oft nach einem bestimmten Schema vorgegangen: Eine in einem klar definierten Begriffs- und Bedeutungsrahmen physikalisch sinnvolle Aussage wird „quantenesoterisch“ ins Abstruse verzerrt. „Erst die Messung bestimmt den Zustand ein Quantenteilchen ist“ ist so ein Beispiel. Daraus wird dann: „Erst durch unser Beobachten bestimmt sich der Zustand der Welt“ (oder, je nachdem was man gerade will, der meiner Gesundheit oder der meines Liebespartners). Dies ist ein Sprung von der Klarheit einer kohärenten und empirisch validierten Physik direkt ins Mystische, ganz ohne argumentative oder diskursive Verbindung. Oder: „Weit voneinander entfernte Quantenteilchen können physikalisch verbunden bleiben“ („verschränkt“ heisst der Fachbegriff). Daraus wird dann: „Wir sind alle miteinander verbunden, und dazu auch noch mit dem ganzen Universum.“ Das ist, um es deutlich zu sagen, Blödsinn.

Dass selbst gestandene Wissenschaftler, die es eigentlich wissen sollten, die Quantenphysik herbeiziehen, um eine brüchige argumentative Basis zu flicken, liess sich kürzlich auf der Mind&Life Sommerschule verfolgen, einer u.a. vom Dalai Lama inspirierten Einrichtung, die sich im Grunde dem sehr seriösen Austausch wissenschaftlichen und buddhistischen Gedankengutes widmet (und dabei oft sehr fruchtbare Gendanken entstehen lässt und faszinierende Verbindungen offenlegt). In diesem Fall ging es um das, was Philosophen die „Irreduzibilität des Subjekts“ nennen, d.h. subjektive Erfahrungsmomente lassen sich nicht auf objektive (messbare) physikalische Umstände, z.B. Gehirnzustände, reduzieren. Nun ist das Leib-Seele-Problem, welches dieser Frage zugrunde liegt, bis heute ungelöst, obwohl die Neuroforscher sich einen immer klareren Blick darauf zu verschaffen suchen. Und man mag gute Gründe finden, dieser These zuzustimmen. Aber mit Quantenphysik hat das nun wirklich nichts zu tun.

Diejenigen, die Quantenphysik verstehen, können über diese Art ihrer Verwendung nur den Kopf schütteln. Dass sie sich nichtdestotrotz sehr gut für unsinnige Esoterik-Ideen eignet, liegt aber auch daran, dass die Welt der Quantenteilchen immer wieder merkwürdige Überraschungen bereit hält und uns in mancher Hinsicht wirklich ungewöhnlich und seltsam erscheinen muss. Dies allerdings nur, wenn man sie mit den Anschauungsformen unseres Alltags betrachtet, deren evolutionäre Anpassungsprozesse von der Quantenphysik nie berührt wurden. Die allermeisten Quanteneffekte finden fernab von unserem Alltagsleben statt, auf winzig kleinen Distanzen und unvorstellbar kurzen Zeitskalen, und damit sicher nicht im Bereich der Spiritualität. Wohlwissend, dass die Quantenphysik bizarr klingende Aussagen macht, folgern die Quantenesoteriker munter, dass alles bizarr Klingende deshalb auch zwingend zur Quantenphysik gehören muss. Das ist ein Trugschluss, der sich aber wunderbar ausbeuten lässt. Kann es sein, dass hier ein gar nicht so neues Bedürfnis befriedigt werden soll: die Sehnsucht nach einem – möglichst einfachen – fundamentalen, universalen und verbindlichen Weltbild, auf das man sich immer wieder berufen kann, ohne sich die Mühe geben zu müssen, es ganz genau zu untersuchen?

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