Nun also doch – Gentechniker überschreiten eine neue Hemmschwelle auf dem Weg zu CRISPR Babys
Vor mehr als zwei Jahren, im Mai 2015, stellte das Wissenschafts-Fachmagazin Nature in einem Artikel unter dem gleichnamigen Titel eine wichtige Frage: „Wo in der Welt könnte das erste CRISPR-Baby geboren werden?“ („Where in the world could the first CRISPR baby be born?”). Indem es Experten und Regierungsstellen in 12 Ländern, die jeweils über eine gut finanzierte biologischer Forschungslandschaft verfügen, befragte, versuchte das Magazin, einen Quervergleich der verschiedenen Rechtslandschaft bzgl. Gene-Editing-Verfahren zu erfassen. Die Antworten zeigten eine Vielzahl von Ansätzen. In einigen Ländern wäre bereits das Experimentieren mit menschlichen Embryonen eine Straftat, während in anderen fast alles zulässig ist.
Dabei wurde aber auch klar: In den meisten Ländern sind die staatlichen Entscheidungsträger der Geschwindigkeit der wissenschaftlichen Forschungsdynamik und des damit einhergehenden technologischen Wandels nicht gewachsen (und CRISPR ist nur ein Beispiel). Während gesetzgebende Instanzen Jahre für die Gestaltung der Rahmenbedingungen von neuen Technologien brauchen, entwickeln sich die Technologien längst weiter und machen diese Rahmen dann oft schon wieder überflüssig.
Wie CRISPR oder mit vollem Namen „clustered regularly interspaced short palindromic repeats“ funktioniert, war bereits ausgiebig Thema in diesem Blog. Der regelmässige Leser weiss, dass sich Gensequenzen mit Hilfe dieser neuen Technik punktgenau ersetzen, verändern oder entfernen lassen, und dies schnell, präzise und sehr billig. Das hat unter Wissenschaftlern, Ethikern und Patienten – leider weniger unter Politikern – zu breiter Besorgnis und heftiger Diskussion geführt. Es ist zu befürchten, dass, wenn derart präzise Genom-Bearbeitung in der klinischen Arbeit akzeptabel wird, um Krankheiten zu entlasten, es unweigerlich dazu kommen wird, dass diese Technologie auch dazu verwendet wird, menschliche Eigenschaften aus nicht-medizinischen Gründen zu verändern, bis hin zu Verbesserung der Intelligenz oder äusserlicheren Attraktivität eines Menschen. Ein ungleicher Zugang zu solchen Technologien könnte zu einem genetischen Klassenkampf führen, auch und insbesondere wenn gezielte Veränderungen am Genom in der Keimbahn (Sperma und Eier) auf alle späteren Generationen weitergegeben würden. Es ist zu befürchten, dass eine embryonale Bearbeitung mit CRISPR dauerhafte, unbeabsichtigte Konsequenzen haben könnte. Die amerikanischen Geheimdienste sprechen im Zusammenhang mit CRISPR bereits von „Massenvernichtungswaffen“.
Derartige Möglichkeiten scheitern in den westlichen Demokratien noch an gesetzlichen Hürden, und die Bedenken gegen solche Formen der Eugenetik sind hier bisher generell sehr gross. Anders in China, wo man eugenischen Bemühungen sehr offen gegenüber scheint. So gab bereits vor mehr als zwei Jahren ein Team chinesischer Forscher bekannt, dass sie mit der gezielten Veränderung von Genen in menschlichen Embryos mittels der CRISPR-Methode experimentiert haben.
Nun ist auf dem Weg zu CRISPR-Babys ein weiterer Meilenstein erreicht worden: Ende Juli wurde der erste bekannte Versuch publik, auch in den Vereinigten Staaten mit CRISPR genetisch veränderte menschliche Embryonen zu erschaffen. Verantwortlich dafür ist ein Team von Forschern um den umstrittenen Biologen Shoukhrat Mitalipov in Portland, Oregon (der auch schon mit menschlichen Klon-Experimenten zwecks Herstellung von Stammzellen von sich reden machte). Dabei konnten Mitalipov und seine Kollegen zeigen, dass es anders als bei den chinesischen Versuchen durchaus möglich ist, defekte Gene, die erbliche Krankheiten verursachen, mit Hilfe von CRISPR sicher und effizient zu korrigieren.
Die früheren chinesischen Arbeiten waren noch eher begrenzt in Umfang und hatten noch gezeigt, dass CRISPR zahlreiche Editier-Fehler verursacht und dass die gewünschten DNA-Veränderungen nicht von allen Zellen eines Embryos aufgenommen wurden. Diese Effekte, „off targetting“ und „mosaicism“ genannt, verlieh Argumenten Gewicht, dass die Modifikation der menschlichen Keimbahn eine sehr unsichere Angelegenheit sei. Aber Mitalipov und seine Kollegen sollen überzeugend gezeigt haben, dass es möglich ist, bei der Anwendung von CRISPR auf menschliche Embryonalzellen sowohl „mosaicism“ als auch „off-target“-Effekte zu vermeiden.
Mitalipovs Konzept wurde im Übrigen in ähnlicher Form bereits erfolgreich bei Mäusen angewendet. Hier waren die Gene für die Fellfarbe erfolgreich editiert worden. Statt des erwarteten braunen Fells hatten die Nachkommen nun weisses Fell. In dem damaligen Paper (das Ende 2014 publiziert wurde) hiess es am Schluss prophetisch: „Dieser oder analoge Ansätze können eines Tages das menschliche Genom-Targetting oder die Genom-Editierung während der sehr frühen embryonalen Entwicklung ermöglichen“.
Noch zieht die U.S. National Academy of Sciences eine rote Linie, wenn es um genetische Eingreife in die Keimbahn des Menschen zum Zwecke der Verbesserung seiner Eigenschaften und Fähigkeiten, wie beispielsweise höhere Intelligenz, geht. „Genom-Editing zur Verbesserung der Merkmale oder Fähigkeiten über die gewöhnliche Gesundheit hinaus wirft Bedenken darüber auf, ob die Vorteile die Risiken überwiegen, und über Fairness, wenn diese nur für einige Personen verfügbar sind“, sagte Alta Charo, Co-Vorsitzender des NAS-Studienkomitees und Professor für Recht und Bioethik an der Universität von Wisconsin-Madison. In den USA ist jeder Versuch, einen gen-editierten Embryo zu einem Menschen heranwachsen zu lassen, durch den Gesetzgeber blockiert worden. Wie lange diese Haltung noch Bestand haben wird, werden wir in den nächsten Jahren, vielleicht auch schon Monaten, sehen. Und trotz solcher Barrieren könnte die Schaffung ein CRISPR-Babys immer noch und jederzeit in Ländern erfolgen, in denen es keine solchen gesetzlichen Beschränkungen gibt. Die Versuche von Mitalipov haben dazu sicher beigetragen.