Nahrung aus dem Labor anstatt vom Feld – Wo stehen wir eigentlich mit dem Fleisch aus 3D-Druckern?
Die CO2-Emissionen stehen endlich im Zentrum der Diskussion um die politische Zukunftsgestaltung des Energiemarktes. Dieser Markt, induziert gerade durch den sich unterdessen durchgesetzten politischen Willen, ihn entsprechend umzugestalten, hat sich in den letzten Jahren fast überall, zuletzt sogar in China (und dieses Jahr wieder in den USA), dramatisch verändert. Den Klimawandel zu stoppen ist zu einem der zentralen Anliegen der politischen Entscheidungsträger und Herrscher geworden. So sollen fast überall auf der Welt die Karten des Energie-Mix neu gemischt werden. Die grössten Schritte zum Schutz des globalen Klimas sind allerdings erst für nach 2030 angekündigt, also zu einer Zeit, in der die meisten Politiker, die die heutigen Pläne machen, großspurige Reden halten und markante Sprüche klopfen, wohl gar nicht mehr im Amt sein werden. Reicht es aus, wenn die Politiker heute Lippenbekenntnisse dafür abgeben, was erst in 10, 20 oder gar 30 Jahren umgesetzt wird?
Zudem gibt es in der Umweltpolitik noch eine ganz andere Dimension: Auch unsere Ernährung verursacht eine signifikante Menge an Treibhausgasen, wobei einen besonders grossen Teil der Treibhausgas-Emissionen die Tierhaltung und -ernährung ausmacht. Gemäss der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) sind dies insgesamt fast 15 Prozent der gesamten CO2-Ausstösse weltweit. Dabei nimmt dieser Trend auch noch dramatisch zu, sowohl mit der wachsenden Weltbevölkerung per se, wie auch durch die Steigerung von Wirtschaftskraft und Wohlstand in Asien und Afrika. Was heute für Europäer und Amerikaner selbstverständlich ist – der nahezu tägliche Konsum von Fleisch – würde global zu einer nicht mehr tragbaren Steigerung der Tierhaltung und damit des CO2 Ausstosses in der Landwirtschaft führen. Klar ist schon heute: Eine Tierhaltung für den Fleischkonsum von 10 Milliarden Menschen können wir uns ökologisch einfach nicht mehr leisten. So forderte denn der Weltklimarat (IPCC) in seinem „Sonderbericht zu Klimawandel und Landsysteme 2020“ im August 2019 – von der Öffentlichkeit wie auch Politiker kaum wahrgenommen – auch eine Kehrtwende beim menschlichen Fleischkonsum. Würden wir alle uns nur noch vegan ernähren, so würde sich laut WWF der CO2-Fussabdruck unserer Ernährung um ca. 40 Prozent verringern.
Genau hier könnten sich nun aber, ebenfalls durch technologische Fortschritte, schon bald massive Veränderungen ergeben, und zwar durch Fleisch, das aus 3D-Druckern kommt. Solche „Drucker“ verwenden zum Beispiel Muskelstammzellen von Rindern, die künstlich herangewachsen und vermehrt, und dann mit Nährstoffen, Salzen, pH-Puffern, etc. versetzt werden. Das Ergebnis schmeckt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit köstlicher und ist zugleich gesünder als alles tierische Fleisch bisher und … und wird nahezu ohne CO2-Ausstoss auskommen! Wer daran zweifelt, dass solches künstlich hergestelltes In-Vitro-Fleisch appetitvoller oder dass eine Ernährung damit gesünder ist, sollte mal einige Stunden in einer Grossschlachtanlage verbringen oder bei einem entsprechend umfassenden Agrarproduzenten zuschauen. Dann wird ihm oder ihr der Appetit auf das heutige Fleisch voraussichtlich schnell vergehen.
Vor acht Jahren stellten Wissenschaftler von der Universität Maastricht eine erste künstliche Frikadelle her, dies noch für einen Preis von 250.000 Euro. Heute steht solches In-vitro-Fleisch kurz vor der Marktreife, entsprechende 3D-Bio-Drucker setzen die gezüchteten Zellstränge serienmässig zu Muskelgewebe zusammen. Eine Reihe von Start-ups kündigte bereits vor einigen Jahren an, ihre Produkte schon bald zu wettbewerbsfähigen Preisen auf den Markt zu bringen. Dabei arbeiten sie, was die Schmackhaftigkeit angeht, unterdessen mit Gourmet-Köchen zusammen, sowie mit Lebensmitteltechnikern, Geschmacksexperten und Herstellern von Aromen und Duftstoffen, mit dem Ziel, den jeweiligen Geschmack täuschend echt zu dem eines heutigen entsprechenden Steaks zu machen – und durch entsprechende Aromazugaben sogar noch zu verbessern. Die Tester attestieren unterdessen nahezu einhellig, dass die gedruckten Steaks wie echtes Fleisch schmecken und geschmackvoll, bissfest und faserig wie das Original sind. Gibt es schon bald keine Nutztierhaltung mehr, dafür aber trotzdem noch Fleisch, das dann aber nicht mehr von der Weide kommt, sondern das wir einfach selber ausdrucken? Dies könnte die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung mit Fleisch sicherstellen, ihren ökologischen Fussabdruck reduzieren und sogar unser Wohlempfinden beim Essen noch einmal verbessern. Welch großartige Vision!
Doch wo stehen wir damit heute konkret? Im Frühjahr 2017 ging so mancher Forscher davon aus, dass im Jahr 2020 der Preis für einen künstlichen Fleisch-Hamburger bei rund 10 bis 11 Dollar liegen wird. Ein Jahr später, also ungefähr heute, sollte das künstliche Fleisch dann marktreif sein. Wo steht es damit also heute?
Wohl auch den „eingefleischten“ Tieressern ist unterdessen sicher aufgefallen: Die vegetarischen Esswaren, die aussehen wie Fleisch und auch immer mehr danach schmecken, haben sich in den letzten Jahren vervielfacht. So ging im Mai 2019 das US-amerikanische Unternehmen Beyond Meat zu einem Aktienpreis von 25 USD an die Börse. Mit einem Hype um die Aktie eines solchen Anbieters pflanzenbasierter Fleischersatzprodukte, vergleichbar mit dem so mancher Tech-Aktien, hatte niemand gerechnet. Doch innerhalb von weniger als drei Monaten verzehnfachte sich dann der Preis fast (seitdem fluktuierte er, stand Anfang 2021 aber immer noch auf dem über Siebenfachen des Ausgabepreis, sank dann bis Mai 2021 wieder etwas ab). Doch die meisten dieser Produkte werden auf der Basis von Hülsenfrüchten (z.B. Soja„fleisch“, d.h. texturiertes Soja, Lupinensamen, Quorn aus dem Schlauchpilz Fusarium venenatum), Gemüse (z.B. Jack-Frucht, schwarze Bohnen, Erbsen und Kichererbsen), Getreide (z.B. Seitan aus Japan mit einer fleischähnlichen Konsistenz), Pilzen (z.B. Schwefelporling, Shiitake) und anderen pflanzlichen Zutaten hergestellt. Mit Hilfe entsprechender Zutaten wie Bindemittel, Wasser, Gewürzen und Aromen werden sie dann zunehmend immer besser so gewürzt und geschmacklich gestaltet, dass sie immer fleischlicher schmecken und auch als Fleischimitate verkauft werden können. So bieten unterdessen selbst traditionell fleischfokussierte Fastfood-Ketten wie McDonald’s oder Kentucky Fried Chicken vegane Veggie-Burger an.
Diese Produktion von immer authentischer wirkendem Fleischersatz ist mit der technologischen Entwicklung des expliziten 3D-Drucks von Fleischersatzes immer stärker in Konkurrenz getreten. Doch letztere versprechen noch einen viel authentischeren Fleischersatz, der optisch sowie geschmacklich der Textur von Fleisch komplett entsprechen soll. Da sind die obigen pflanzenbasierten Fleischersatze noch nicht. Und genau das soll sich nun innerhalb der nächsten Monate ergeben:
- Die israelische Firma Redefine Meat hat bereits für 2021 den Markteintritt seiner patentierten 3D-Drucktechnologie für Fleischersatz in Deutschland und der Schweiz geplant, der explizit Textur, Geschmack und Aussehen von Rindfleisch nachbilden soll (interessanterweise findet sich unter ihren Investoren Deutschlands größter Geflügelmäster, die PHW-Gruppe, die unter anderem die Marke Wiesenhof vertritt).
- Die aus Amerika stammende Firma UPSIDE Foods (früher unter dem Namen Memphis Meats bekannt), gab bekannt, dass auch (Ende) 2021 ein erstes zellkultiviertes hähnchenartiges Fleischersatzprodukt auf den Markt bringen wird.
- Bereits 2018 hatte die Firma byflow in Kooperation mit dem 3-Sterne-Koch Jan Smink in der holländischen Stadt Wolvega das erste 3D-Druck-Restaurant gegründet. Ihr Lebensmittel-3D-Drucker richtet sich jedoch hauptsächlich an Produkte der Bäckereibranche. Er arbeitet mit nachfüllbaren Kartuschen, die beliebige pastöse Lebensmittel enthalten, um individuelle Gerichte zu erstellen.
Dieses Jahr könnte also das grosse Wendejahr für die mit 3D-Druckern angefertigten echten Alternativen zu tierischem Fleisch werden. Es wird äusserst spannend sein zu sehen, wie diese Fleischersatzprodukte mit den originalen Fleischprodukten in Konkurrenz treten werden. Betrachtet man die so dramatisch schnell gewachsene Beliebtheit der pflanzlichen Fleischersatze, so ist zu erwarten, dass sich die neuen Hightech-Fleischersatzprodukte einer gewaltigen Beliebtheit erfreuen werden. Dies könnte zu einer historischen Wende im globalen Fleischkonsum führen, der sich sehr positiv auf unsere CO2-Bilanz auswirkt.
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