Zu den „grossen Fragen“ der Menschheit zählt die Frage, woher das Leben auf unserem Planten kommt. Naturwissenschaftler haben sich bis weit ins 20 Jahrhundert hinein mit dieser Frage kaum beschäftigt, lag sie doch weit ausserhalb dessen, was sie als den Anwendungsbereich ihrer Tätigkeit ansahen. Doch spätestens mit der Darwin’schen Evolutionstheorie aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bzw. ihrer systematischen Verankerung im Theoriengefüge der Biologie in den 40er Jahren des 20 Jahrhunderts (zusammen mit der Genetik) erscheint die Frage nach dem Ursprung des Lebens auf dem Radar der Naturforscher. Bis heute haben sie eine endgültige Antwort darauf nicht gefunden. Doch kürzlich ist ein wenig mehr Licht auf diese Frage gefallen.

Seit den 1940er Jahren wissen wir, dass in jeder auf unserem Planeten vorkommenden Form des Lebens bestimmte chemische Verbindungen als Elementarbausteine auftauchen. Dies sind Aminosäuren, Nukleinsäuren und Kohlenhydrate. Die Suche nach einer Antwort auf die Frage nach dem Ursprung des Lebens musste also zunächst darin bestehen herauszufinden, wie diese Bausteine – man könnte sagen, die „Vorboten des Lebens“ – entstanden sein könnten (man beachte das Hilfsverb am Schluss dieses Satzes). In einem aufsehenerregenden Experiment gelang dies bereits im Jahr 1953, dem gleichen übrigens, in der die Struktur der DNA entdeckt wurde. Die Geologen hatten bereits vermutet, dass vor zwei bis drei Milliarden Jahren die wesentlichen Bestandteile der Atmosphäre wasserstoffbasierte Molekülverbindungen waren, insbesondere Methan (CH4) und Ammoniak (NH3), anstatt wie heute hauptsächlich Stickstoff und Sauerstoff. Die beiden Forscher Stanley Miller und Harold kamen auf die Idee, die frühen Verhältnisse auf unserem Planeten in einem einfachen Experiment nachzustellen. Dazu vermischten sie in einem Gefäss Wasser mit Ammoniak, Methan und Wasserstoff (die „irdische Ursuppe“) und setzten diese Lösung starker UV-Strahlung und elektrischen Entladungen aus. Heftige Blitze und Gewitter, intensive UV-Einstrahlung von der Sonne, der die Erde ungeschützt ausgesetzt war, und Kombinationen bestimmter anorganischer Substanzen, die in die Meere regneten, sollten es, wie die Forscher vermuteten, ermöglicht haben, dass sich spontan kompliziertere organische Molekülverbindungen bildeten, die sich zuletzt zu Aminosäuren, Proteinen und Nukleinsäuren entwickeln konnten.

Und tatsächlich: Nach Ablauf des Experiments konnten Urey und Miller in der Lösung einfache Aminosäuren ausmachen! Nach längeren Versuchszeiten bildeten sich sogar komplexere Aminosäuren. Schliesslich entsprachen die erzeugten Aminosäuren genau den 20 Aminosäuren, die wir heute in lebenden Organismen vorfinden! (später fand man noch zwei mehr). Damit war ein mögliches Szenario für die Entstehung der Grundbausteine des Lebens aufgezeigt. Auf die einfachste Frage, woher Aminosäuren stammen könnten, lässt sich also eine wissenschaftliche Antwort finden.

War dies ein erster bedeutender Schritt zur Erklärung des Lebens, so ist auch heute noch der Weg zu seiner kompletten Erforschung noch weit. Nach wie vor sind die Details der Entwicklung von einfachen chemischen Bausteinen hin zu Zellen und komplexeren Lebensformen mit Stoffwechsel, Selbstreproduktion und Evolution ungeklärt. Der nächste Schritt im der Erklärungskette ist die Frage, wie die komplexeren Moleküle Adenin, Guanin, Cytosin, Thymin und Uracil (Nukleotide) entstehen konnten, die Grundsteine der genetischen Informationsträger DNA und RNA.

Genau für diesen Schritt ergaben sich in den letzten Wochen überraschende neue Einsichten. Gehen einige Forscher davon aus, dass die entscheidenden biochemischen Moleküle mit einem auf die Erde stürzenden Asteroiden aus dem All gekommen seien, so gibt es nun Erkenntnisse darüber, dass diese durchaus auch auf der Erde entstanden sein könnten. Allerdings spielten die gigantischen Einschläge aus dem Weltraum dabei durchaus eine Rolle. In einem brachialen Version des klassischen Urey-Miller Experiments stellten tschechische Biochemiker um Svatopluk Civiš mit Hilfe von Hochleistungslasern die lokalen Bedingungen eines Asteroiden-Einschlags nach. Dafür sandten sie ultraintensive Laserpulse in die „Urey-Miller’sche Ursuppe“, welche zugleich biochemische Vorläufermoleküle des Formamids enthielt (die nach der Vermutung der Forscher ebenfalls in der frühen Erdatmosphäre vorkam). Damit erzeugten sie Bedingungen, die sehr wahrscheinlich in der Nähe eines Asteroiden-Impacts auftraten. Die chemischen Reaktionen, welche unter diesen Bedingungen ablaufen, finden unter Normalbedingungen kaum statt. Zur Begeisterung der Forscher befanden sich nach Ablauf des Experimentes sämtliche der oben genannten Nukleotide, aus denen die Erbmoleküle zusammengesetzt sind, in der Lösung.

Damit ist ein weiterer (möglicher) Puzzlestein für die Beantwortung einer der Ur-Fragen der Menschheit gefunden. Es zählt zum Wesen der Wissenschaft, dass sie offen ist, d.h. wir wissen nicht in diesem Fall, ob wir der Frage nach dem Ursprung des Lebens wirklich näher gekommen sind, bzw. wir überhaupt auf dem richtigen Weg sind. Doch vermag die Wissenschaft zunehmend Konturen einer möglichen Antwort aufzuzeichnen (und dabei zugleich viele nicht-wissenschaftliche Antworten zu verwerfen). Wäre es ein solcher „Durchbruch“ wie der vom Anfang dieses Monats nicht wert, ein wenig deutlicher ins Blickfeld der Öffentlichkeit zu geraten? Wir Konsumenten der heutigen Medien suchen hier leider wie so oft vergeblich, wenn es um derartige Entwicklungen in den Wissenschaften geht.

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